Franz Kopecky, der Initiator und Organisator der Reisen „Auf den Spuren der Heiligen Heinrich und Kunigunde“, hat sich nicht lange anhalten lassen und dem Wunsch der Gemeinschaft entsprochen, noch einmal eine Reise zu unternehmen. Bereits beim Heinrichsfest am 13. Juli 2018 legte er einen detaillierten Plan vor, und viele meldeten sich für die Reise direkt an. Sein Plan war es, in die Oberlausitz, also nach Osten zu reisen. Es gab noch einen passenden Anlass. Im Jahre 1018 wurde in Bautzen der Bautzener Frieden zwischen Kaiser Heinrich II und König Boleslaw I von Polen geschlossen.
So begab sich am Samstag, dem 27. April, eine Gruppe von 72 Gemeindemitgliedern nach Schmochtitz bei Bautzen / Sachsen. Nachdem der beliebte Busfahrer Romano alle Frauen gebührend begrüßt und die Koffer verstaut hatte, ging die Fahrt mit einer halben Stunde Verspätung um sieben Uhr los. Pfarrer Dr. Zettner wünschte uns bei der Abfahrt wieder eine gute Fahrt und Gottes Segen. Die Fahrt verlief zügig mit zwei Pausen und einer Sektrunde von Romano. Um 15.45 Uhr erreichten wir unsere Unterkunft, das Bischof-Benno-Haus, in Schmochtitz. Dieses Haus ist seit 1992 katholische Bildungs- und Tagungsstätte des Bistums Desden / Meißen. Es kann eine wechselvolle Geschichte aufweisen, und zwar vom 12. Jahrhundert an als Zollstation, Adelssitz und Rittergut, Priesterseminar, katholische Land- und Forstwirtschaft bis zum jetzigen Bildungshaus. Noch im Bus erhielten wir wieder die von Franz Kopecky hervorragend erstellte Reisezeitung, die uns als Information und Richtschnur diente. Hierin konnten auch die Lösungen zu den Fragen des Reiserätsels gefunden werden. Nach der Einquartierung fand eine Führung durch die Anlage statt. In dem Elysium mit der tollen Akustik kam unser Gesang gut zur Geltung. Nach dem Abendessen schloss sich um 19.30 Uhr die Vorabendmesse, gehalten von unserem „Reisekaplan“ Dr. Meyer, unter Orgelbegleitung des Kirchenmusikers Peter Wehnen an. Der gesellige Abschluss in der Scheune durfte natürlich nicht fehlen. Peter Wehnen spielte für die Restgruppen ganz toll auf dem Klavier.
Nach dem Frühstück am Sonntag ging es um 8.30 Uhr nach Lübbenau in den Spreewald. Wir verließen also Sachsen und befanden uns im Land Brandenburg am großen Spreewaldhafen Lübbenau. Vier Kähne wurden durch unsere Gruppe gefüllt und von den Fährmännern mit den über vier Meter langen Stangen aus Eichenholz sicher geführt. Die Kähne sind eine Art Flachboot ohne Kiel und somit eine Besonderheit. Die Tätigkeit der Fährleute nennt man „Staken“. Der Spreewald selbst durch seine Besonderheiten in der Vielfalt von Tier- und Pflanzenarten ist einzigartig in Europa. In einer Ausdehnung von etwa 75 km Länge und 15 km Breite und über 300 natürlichen „Wasserfließen“ teilt sich der Spreewald in Ober- und Unterspreewald auf. Unser Ziel mit den Kähnen war das Gasthaus „Wotschofska“. Am Spreewalddorf Lehde legten wir kurz an, um z.B. eine Gurkenauswahl zu probieren. Es ging weiter auf ruhigen Fließen und zwei Schleusen durch Wälder und Wiesen. Wir erreichten das Gasthaus, in dem wir unser Mittagessen einnahmen. Die Rückfahrt führte uns wieder an Lehde vorbei zurück zum Hafen. Zur Kahnfahrt selber kann man sagen: Wir hatten gutes Wetter, sie verlief ohne Hektik und ohne Motor, begleitet vom Plätschern des Wassers. Es war wirklich Balsam für Augen und Seele. So kam von Einigen der Ausspruch: „Ich war schon einige Male hier, aber so schön habe ich den Spreewald noch nie erlebt.“ Im Hafen war für uns genügend Zeit, an der Gurkenmeile je nach Lust die nach alten Rezepten hergestellten Spreewaldspezialitäten zu kosten oder auch mit nach Hause zu nehmen. Nach dem Abendessen in Schmochtitz trat als Besonderheit eine sorbische Folkloregruppe in der Scheune auf. Sie bestand aus fünf Tanzpaaren mit sorbischen Trachten sowie einem Leiter, der einen Dudelsack und Gitarre spielte. Die Gruppe zeigte gekonnte Tanzvorführungen. Ein großer Applaus war der Gruppe und dem Leiter für die Gesamtvorführung sicher. Die sorbische Sprache konnte jedoch von uns nicht verstanden werden. Die Sorben sind eine Volksgruppe, die in der Lausitz zu Hause ist und zwar in Sachsen und Brandenburg. Sie sind ohne eigenen Staat und deutsche Staatsbürger, pflegen noch eine eigene Sprache und besonders ihr Brauchtum und ihre Kultur. Wer sich in der Lausitz umschaut, dem fallen vielerorts die zweisprachigen Schilder auf. Der gemütliche Abschluss in der Scheune wurde wieder auf dem Klavier von Peter Wehnen begleitet.
Der Montag galt besonders der Stadt Görlitz. Um 8.30 Uhr ging es wieder los. Es folgte eine große Stadtrundfahrt mit Führung. Unter Leitung einer engagierten Stadtführerin erfuhren wir viel über die im deutsch-tschechisch-polnischen Dreiländereck liegende Stadt. Diese Stadt war reich, da sie im Mittelalter an der „Via Regia“ der Handelsstraße lag, wo viel Zoll eingenommen wurde. Durchreisende mussten drei Tage bleiben und Waren verkaufen. Wir konnten die architektonische Vielfalt der Einzeldenkmäler aus Gothik, Renaissance, Barock, Jugendstil und Gründerzeit sehen. Dreiviertel der Häuser sind wieder aufwendig restauriert und sehen toll aus. Diese Sanierung konnte zu großen Teilen durch eine private Spendenaktion durchgeführt werden. Man sah aber auch einigen Bauten noch den Zerfall aus der DDR-Zeit an. Die Stadt wird als beste Filmstadt Europas bezeichnet. Hierzu tragen die traumhaften Kulissen besonders bei. Nicht nur der Stadtkern ist interessant, sondern auch die umliegenden Erholungsgebiete mit dem großen Bersdorfer See, der 70 Meter Tiefe hat und eine Rundumfahrt von 17 Kilometern. Die Einwohnerzahl beträgt im deutschen Teil 57000 steigend. Ein Drittel der ehemaligen Stadt ist heute polnisches Gebiet. Im zweiten Weltkrieg hatte man Glück, denn es wurden nur 39 Häuser zerstört. Durch Aufgabe des Braunkohleabbaus nach der Wende wurden 7000 Menschen arbeitslos. Görlitz ist das kleinste Bistum Deutschlands. Bevor wir Görlitz verließen gab es noch einen Abstecher zum Hl. Grab. Die Heilig-Grabanlage besteht aus der Doppelkapelle zum Hl. Kreuz, dem Salbhaus und der Grabkapelle. Die Anlage ist eine Nachbildung der Grabeskirche in Jerusalem. Der spätere Görlitzer Bürgermeister, Georg Emmerich, hatte dort auf einer Pilgerreise im Jahr 1465 die Pläne erstanden und den Grundstein gelegt. Die Stadtführerin weihte uns in viele Besonderheiten der Anlage ein und ließ uns beim Aufgang die Stufen zählen. Es waren zunächst 33 für das Alter von Jesus und nach einem Absatz 11 für die Apostel, ohne Judas. Wir verließen die Hl.-Grabanlage auf der Rückseite und kamen noch am mit „Ölberg“ bezeichneten Grundstück vorbei. Wieder im Bus ging die Fahrt über polnisches Gebiet weiter in Richtung Zittau. Hier wollten wir die Zittauer Schmalspurbahn erreichen, um mit ihr zum Kurort Oybin zu fahren. Dies gelang aus Zeitgründen aber nicht. So fuhr uns Romano mit dem Bus dorthin. Zeit, um uns den Gebirgsort mit seinen Wahrzeichen eingehend anzusehen, blieb leider auch nicht, da wir ja wenigstens mit der Bahn zurück nach Zittau fahren wollten. Wieder in Schmochtitz klang der Abend nach dem Essen gemütlich in der Scheune mit Klavier, Tanz, Gesang und entsprechenden Getränken aus.
Am Dienstag, dem 30. April, unserem letzten Aufenthaltstag in Schmochtitz, ging die Fahrt zunächst durch Felder, alte Alleen und kleine Dörfer nach „Marienstern“, dem ältesten Kloster Deutschlands. Wichtig für das Kloster war die günstige Lage an der Via Regia. Es ist eine Zisterzienserinnen-Abtei, deren Gründungsdatum mit 1248 angegeben ist. Auffällig und schön ist die zisterziensische rot-weiße Farbgebung der gesamten Klosteranlage, beeindruckend vor allem das Innere der spätgothischen Kirche mit den hohen Säulen aus Backsteinen sowie einem Fenster aus dem 14. Jahrhundert. Nach dem Rundgang über den weiten Hof und dem Besuch des Hofladens, trafen wir uns zum Marienlob in der Kirche. Wir standen ja einen Tag vor dem Marienmonat Mai. Im Kloster befinden sich noch 12 Ordensschwestern. Es gibt 150 Angestellte, die sich hauptsächlich um Behinderte, hiervon 24 Schwerstbehinderte, kümmern. Auf der Rückfahrt zum Bischof-Benno-Haus gab es noch einen Abstecher nach Ralbitz, einer hauptsächlich sorbischen Dorfgemeinschaft. Überrascht waren wir über den sorbisch-katholischen Friedhof, der zum Denkmal erklärt wurde. Hier werden die Gräber über 150 Jahre durch einheitliche, aneinandergereihte, weiße Grabkreuze und gleiche Blumen geschmückt.
Nach dem Mittagessen im Bischof-Benno-Haus ging es um 13.30 Uhr nach Bautzen, eine über 1000jährige Stadt mit einer wechselvollen Geschichte. Sie erhebt sich auf steilem Granitfelsen über dem Tal der Spree. Die „Ortenburg“, hoch oben auf dem Felsen gelegen, war der Ort, an dem Kaiser Heinrich II und der polnische Herrscher Boleslaw I am 30. Januar 1018 den Friedensvertrag schlossen. Ein 15 Jahre dauernder Krieg war beendet. Bautzen wurde anschließend für einige Zeit polnisch. Wir gelangten zur Besichtigung der größten Bautzener Kirche, dem Dom Sankt Petri. Sie ist eine Simultankirche, die den katholischen und protestantischen Konfessionen gehört. Abgetrennt wird sie durch ein 1 Meter hohes Gitter. Auch sonst zeigt der Dom einige Besonderheiten: Sein Kirchenschiff ist nicht gerade gebaut, sondern hat einen Knick nach rechts. Der Grund hierfür ist nicht bekannt. Auch die Säulen, Deckenrundungen sowie Altäre und Orgel runden das Bild des Doms ab. Jetzt hatten wir noch Zeit, uns bei sonnigem Wetter die Bautzener Altstadt anzusehen. Um 17.00 Uhr trafen wir uns am Bus zur Rückfahrt nach Schmochtitz. In dem besuchten Lausitzer Gebiet haben wir viele große Kirchen, Klöster und Zeugnisse der spätmittelalterlichen Frömmigkeit gesehen. Heute ist der christliche Glaube dort nicht mehr so sehr verbreitet. In den Städten leben nur noch 10 Prozent katholische und 17 Prozent evangelische Christen. Das ist wohl die Folge der langjährigen sozialistischen Regierung, nach dem Motto: „Wir haben nichts, wir glauben nichts.“
Am Abend war der festliche Abschluss vorbereitet, beginnend mit dem sorbischen Buffet. Abschließend ging es in die Scheune zum geselligen Teil des Abends. Franz Kopecky bedankte sich bei den Helfern, Dr. Meyer, Peter Wehnen, Ehepaar Justen, Doris Albrecht und Helmut Himmel mit Präsenten. Unter der wieder tollen Klavierbegleitung von Peter Wehnen wurden Wander- und Mailieder gesungen. Im Wechsel durften unterhaltsame Vorträge nicht fehlen. Hier besonders zu erwähnen ist eine lustige Gerichtssitzung. Es folgte die Auslosung der Gewinner des Reiserätsels. Das Lösungswort lautete „Dampfeisenbahn“. Es war von Franz Kopecky raffiniert ausgewählt, da die Bahn, mit der wir gefahren sind, „Schmalspurbahn“ heißt. Anneliese Jaspers bedankte sich noch im Namen aller Mitreisender bei Franz Kopecky und den Helfern für die gekonnte Organisation der Reise, meinte jedoch, sie hätte den Ort, wo Heinrich II „gemurmelt“ hat, nicht gefunden. Das war die vierzehnte Reise und Kopecky ließ offen, ob es noch eine weitere Reise gibt.
Nach einer erholsamen Nacht konnte nach dem Frühstück um 9.00 Uhr am Maifeiertag die Rückfahrt beginnen. Romano gab an, alle Getränke sind frei. Uerdingen erreichten wir bei gutem Reisewetter um 17.45 Uhr. Wir alle können Dank sagen für die gute Gemeinschaft, die wieder sprichwörtlich war. Trotz fünf Rollatoren und einer Rollstuhlfahrerin lief alles ohne große Probleme ab. Besonders erwähnen möchte ich unseren Busfahrer Romano, der als ein Künstler hinter seinem Lenkrad und Freund zu bezeichnen ist. Auch möchte ich nicht vergessen, das Bischof-Benno-Haus zu erwähnen, wo wir wieder gut untergebracht waren und Freundlichkeit großgeschrieben wird.
Nun auf ein hoffentlich gesundes Wiedersehen zum Heinrichsfest am 13. Juli sowie am 11. Oktober im Oskar-Romero-Haus zum Erinnerungsabend und Vorführung des dann von Rolf Sturm erstellten Reisefilms.
Wilfried Dörnemann