Was soll Ökumene?

Ökumenisches Forum in Gartenstadt

Ökumenisches Forum (c) Annegret Ising

 

Zu einem Vortrag mit anschließendem Austausch trafen sich am Dienstag, 9. November, rund 30 Perso­nen im Oscar-Romero-Haus. Unter der Leitung von Gemeindereferentin Dorothea Blum und Pfarrer Christoph Tebbe begrüßten evangelische Christinnen und Christen aus der Lukasgemeinde und ihre katholischen Glaubensgeschwister aus St. Nikolaus die Superintendentin des Kirchenkreises Krefeld-Viersen, Frau Dr. Barbara Schwahn. Die evangelische Theologin und Pfarrerin warf einen sehr persönlichen Blick auf die Geschichte der ökumeni­schen Bewegung, aber auch auf die großen Herausforderungen und Chancen gelebter Ökumene in der heutigen Zeit. Im anschließenden Gespräch wurde deutlich, dass die Ökumene in Gartenstadt lebt, dass es aber auch neuer Impulse bedarf, um sie lebendig zu halten. 

Wohngemeinschaft? Versuchs­labor? Spielwiese? Mit welchem Bild, kann man das, was in Gar­tenstadt entstanden ist und weiter wächst, vergleichen? Ausgehend von dieser Frage entwickelte die Referentin sehr persönliche Gedanken zum The­ma Ökumene. Ihre eigenen Er­fahrungen in der Ökumene habe sie als Jugendliche in ihrer rheinhessischen Heimat ma­chen können. Zwar sei ihr Dorf weit überwiegend evangelisch gewesen, von der katholischen Kirche habe sie im Wesentli­chen die Friedhofskapelle wahr­genommen, wo auch die Gottes­dienste der katholischen Ge­meinde stattgefunden hätten. Die Musik aber habe sie schon früh auf’s Engste mit der katho­lischen Tradition in Berührung gebracht. Insbesondere erinne­re sie sich gerne an die Weih­nachtsgottesdienste im Dominikanerkloster in Worms „Ich weiß nicht, in wie vielen Gottesdiensten wir da­mals gespielt haben, richtig Weihnachten aber ist es erst nach der gemeinsam gestalte­ten Mette dort ge­worden.“ So habe die Ökumene schon immer ihr Leben und ihr Christin-Sein geprägt. Im Übri­gen gelte das weit über ihren Beruf als evangelische Superin­tendentin, Pfarrerin und Theo­login hinaus, sei sie doch mit ei­nem katholischen Mann verhei­ratet. 

Ausgehend von dem Bild der Wohngemeinschaft entwickelte Frau Dr. Schwahn den Gedan­ken, dass auch diese Lebens­form deutlich unterschiedlich interpretiert werden könne. Von denjenigen, die nur zusam­menziehen, weil es eben günsti­ger ist, über diejenigen, die von Zeit zu Zeit gerne mal etwas miteinander unternähmen, aber auch ganz gerne in Ruhe gelas­sen werden, bis zu denjenigen, die in einer solchen Wohnge­meinschaft ein Stück Lebensge­meinschaft Gleichgesinnter suchten, gäbe es eine große Bandbreite. Was aber mache die ökumenische Wohngemein­schaft in Gartenstadt aus? Das Unterscheiden­de an dem Mit­einander der katholischen und evangelischen Christen in der Pius-Lukas-Kir­che und im Os­car-Romero-Haus müsse sein, , dass sie sich gera­de nicht nur auf sich selbst und den eigenen Horizont beziehen dürfe. Mit Bezug auf das von Johannes übermittelte Jesuswort „alle sollen eins sein, damit die Welt glaubt“ (Joh 17,21) hob die Theologin die dia­konische Di­mension des christlichen Han­delns hervor. „Die Einheit im Glauben ist kein Selbstzweck, sie soll die Men­schen berühren, bewegen, sie zum Glauben an Christus füh­ren.“ Zu fragen sei nicht nur, was können wir für uns und unsere ökumenische Gemeinschaft tun, sondern was können wir für die Menschen in unserem Stadtteil tun, wo sind wir gefragt, was haben wir an­zubieten? 

Lehramtliche Unterschiede sei­en vor dieser Frage eher sekun­där. So wichtig die theologische Auseinandersetzung in der Ver­gangenheit gewesen sei, vor al­lem weil sie geholfen habe, ge­genseitige Lehrverurteilungen zu revidieren und in den we­sentlichen Fragen zu einer gro­ßen theologischen Einmütigkeit zu kommen (die bedauerlicher­weise von den höheren Stufen der Hierarchie nicht durchge­hend rezipiert worden sei), so habe in der heutigen Situation eindeutig das gemeinsame Le­ben Priorität.  

Die Theologin rief dazu auf, vor Ort mit­einander das zu tun, was man mit guten Gewissen ver­antworten könne, und nicht lan­ge da­nach zu fragen, ob es auch er­laubt sei. Vielleicht entfalte dann die Kirche eine neue An­ziehungskraft für Menschen, die suchen und fragen, die aber in den herkömmlichen kirchlichen Strukturen keine Heimat mehr finden. Mit Blick auf die Gäste des ökumenischen Forums for­mulierte Frau Dr. Schwahn: „Das weitestgehende Ziel ist er­reicht, wenn keiner mehr fragt, was in der Gemeinde evange­lisch oder katholisch ist, son­dern Sie zu ei­ner Gemeinde aus katholischen und evangelischen Christen ge­worden sind, die den Menschen in Ihrem Stadtteil und im besten Fall auch darüber hinaus, viel­leicht sogar weit darüber hin­aus etwas zu sagen und zu bie­ten hat. Und wenn es, was nicht das Schlechteste ist, ein Ort zum Mitmachen wäre für Menschen, die sich nicht konfessionell bin­den möchten, die - wie so ty­pisch heute - mit der Institution Kirche nichts zu tun haben möchten.“

Ein anregender und ermutigen­der Start des „ökumenischen Forums in Gartenstadt“, freuen wir uns auf weitere Veranstal­tungen in dieser Reihe.

Text: Hans-Jörg Richter
Foto: Annegret Ising